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Jens Kloppmann. Ein Interview.

Kultura-extra: Du arbeitest viel mit der Fotografie, auch „Rache für Trotzki“ war ein fotografisches Projekt. Was reizt dich an dieser Arbeit?

Jens Kloppmann: Die Fotografie war ja innerhalb der bildenden Kunst ein revolutionärer Einschnitt. Sie ist in der Lage Dinge eins zu eins abzubilden. Auch wenn die Fotografie eine subjektive Abbildung ist, je nach Perspektive des Betrachters, ist sie in der Lage Dinge tatsächlich abzubilden.
Mich interessiert weniger die künstlerische Fotografie als die historisch-politische Fotografie. Es gibt fotografische Ikonen, die allen noch im Gedächtnis sind, zum Beispiel das Bild des Jungen im Warschauer Ghetto 1944. Dieses Bild hat eine Intensität, so dass es im Gedächtnis der Allgemeinheit haften bleibt.

Kultura-extra: also der journalistische Fotograf als Künstler.

Jens Kloppmann: Wobei mich das weniger interessiert. Allerdings verbergen sich da ja interessante Biografien, wie zum Beispiel die von Robert Capa. Er ist 1944 mit der ersten Welle der Alliierten in der Normandie gelandet, während Granaten um ihn flogen hat er mehrere Filme verschossen, die in der Dunkelkammer verhundst worden sind. Es gibt nur noch 11 tatsächliche Bilder davon.
Superinteressante Biografien, interessanter ist aber das, was tatsächlich abgebildet ist.

Kultura-extra: In deiner Arbeit, die hier ausgestellt ist, Diktatoren mit Tieren, hast du Diktatoren aller Couleur miteinbezogen, Du hast Stalin und Hitler in eine Serie gesetzt. Würdest du dein Verhältnis zur Politik als zynisch bezeichnen? Und was bedeutet für dich Politik in der Kunst?

Jens Kloppmann: Lass mich zuerst mit meinem Verhältnis zur Politik anfangen: Grundsätzlich habe ich ein sehr starkes Interesse an Politik. Das mag biographische Gründe haben, weil ich aus einer Generation komme, in der die Großeltern und Eltern den Krieg tatsächlich noch erlebt haben und dann teilweise auch berichtet haben, über Ereignisse, die wir uns heute gar nicht mehr vorstellen können. Mit 15 habe ich mich intensiv mit dem Nationalsozialismus beschäftigt. Vor dem Studium der freien Kunst hab ich Geschichte und Politik studiert, weil mich das sehr stark interessiert hat.

Kultura-extra: Und trotzdem siehst du keinen Widerspruch darin Stalin und Hitler in einer Serie zu nennen?

Jens Kloppmann: Stalin und Hitler gehören definitiv in eine Serie. Hitler hat natürlich noch eine Sonderposition, selbst Stalin verblasst da ein wenig, aber nur ein wenig.
Interessant sind auch die merkwürdigen Details in manchen Biografien. Gepasst hat bei Stalin sein Tod: allein im Bett röchelnd, um Hilfe schreiend, niemand traute sich das Zimmer zu betreten aus Angst. Stalin ist einsam und jämmerlich verreckt.

Kultura-extra: Was hast du für eine Beziehung zum Betrachter deiner Arbeiten?

Jens Kloppmann: Ein Freund von mir hat vor Jahren ein Symposion in Kassel abgehalten, wo er einen Kurzfilm gezeigt hat, die Filmemacher waren anwesend. Mein Freund war so sehr beeindruckt von diesem Film, dass er die Filmemacher fragte: „Warum habt ihr diesen Film gemacht? Wollt ihr geliebt werden?“ Das finde ich eine sehr amüsante Herangehensweise.
Die Frage, warum macht man Kunst, ist kaum ehrlich zu beantworten. Es ist zum einen das ,was man kann, womit man sich auseinandergesetzt hat, und natürlich ist die Wirkung auf das Publikum wichtig, man darf dem Publikum aber auch nicht nach dem Mund reden oder sich ranschmeißen.

Kultura-extra: Ist es für dich wichtig, dass die Leute verstehen was du tust?

Jens Kloppmann: Es ist wünschenswert, aber man kann es schwer beeinflussen. Es gibt in der Postmodernen Diskussion den Begriff der Mehrfachcodierung, der mir sehr gut gefällt. Je nach Wissensstand hat er verschiedene Möglichkeiten sich mit dem Werk auseinanderzusetzen. Das unterste Level kann der Blick eines Kindes sein bis hin zur Einordnung in die Systematik der Kunstwissenschaft - Faktoren, die beim Betrachten von Kunst eine Rolle spielen.

Kultura-extra: Wie kamst du zu der Arbeit „Diktatoren mit Tieren“?

Jens Kloppmann: Es ist eine Arbeit, die ich schon lange im Kopf habe. Auf die Idee kam ich durch den Titel, der ist mir zuerst eingefallen. Er ist sehr interessant, weil er grammatikalisch falsch klingt aber richtig ist. Das hat es für mich erstmal auf der sprachlichen Eben interessant gemacht. Das Feld der Herrschaftsbilder ist sehr groß, mit Tieren allerdings reduziert, weil sich der Diktator ja lieber mit einem Pferd oder mit einem Löwe fotografieren lässt, also mit Tieren , die Stärke und Macht demonstrieren, weniger mit einer Hyäne oder einem Koalabär.
Das 20.Jahrhundert ist ja ein wahnsinniges Jahrhundert. Da ist soviel an Mord und Totschlag passiert.
Das Thema Diktatoren ist ja deshalb auch so schwer abzubilden. Niemand kann sich wirklich vorstellen wie es ist in einem Gulag, in einem KZ, in einem Arbeitslager zu sein, wenn er es nicht selbst erlebt hat.
Die Liste ist natürlich auch unvollständig, zum Beispiel ist Franco nicht dabei. Der Betrachter kann sich überlegen wie es weitergeht.