Kathleen Rahn l Beitrag zum Ausstellungskatalog „Die andere Seite“
Hg Kunsthalle Fridericianum Kassel l 2006


Aus der Schulzeit kennt es ein jeder, das Gefühl eine Laubsäge in der Hand zu halten und dann die Aufgabe zu vollbringen aus einem Stück Sperrholz eine Figur zu extrahieren. Schon hat man bei dieser Vorstellung den Geruch des Gebäudes in der Nase, indem man lernen sollte. Es kennt auch ein jeder die Bilder der Tagespresse von politischen Persönlichkeiten, von Ereignissen, die als historisch gelten aber auch gleich wieder in Vergessenheit geraten können, wenn nicht ein Moment des Hervorholens, Aufrufens passiert. Als künstlerische Arbeit nutzt Jens Kloppmann selektierte kollektive Erinnerungen, die er in Laubsägearbeiten, montierten Fotografien, Malerei, Skulpturen und aktionistischen Projekten kommentiert und in eine weitere, abstrakte Ebene überführt.

So kann man in der Reihe der Laubsäge-Figuren unter anderem Personen wie die Beatles, Marcel Duchamp, Helmut Kohl und François Mitterand finden, wenn man sehr genau hinsieht – sie alle werden gleichwertig und unkommentiert nebeneinander aufgereiht als hätten diese Protagonisten eine Verbindung untereinander. Letztendlich sind es alles Figuren, die dem Bildarchiv des Künstlers entstammen und ebenso seine Wahrnehmung der Welt andeuten – eine aufmerksame, oftmals schmunzelnde Beschäftigung mit Kunst- und Gesellschaftsgeschichte.

Zwei Betonkuben erscheinen zunächst als minimalistische Quader, bei denen im Inneren als Negativform die sich fassenden Hände sichtbar werden: zwei Hände die einander anfassen als Symbol von Verbundenheit, als Begrüßung, als Besiegelung eines Vertrages, oder als zärtliche Berührung. Vor allem der veröffentlichte Gebrauch dieser Geste ist im Zusammenhang mit den Arbeiten von Jens Kloppmann von Relevanz. Sofort kommen Bündnismetaphern in den Sinn – schnell ergreift der Bundeskanzler die Hand seines amerikanischen Kollegen nach vorherigen Meinungsverschiedenheiten, sobald die Kameras bereit sind und wie oft ist der Gebrauch der Geste der Vereinigung durch den Händedruck künstlich und ungelenk. In der Arbeit von Jens Kloppmann ist sie das einzige, was bleibt. Auch bei der Arbeit „Schuhe aus Beton“ wird eine solche Geste eingefroren, abgeformt. Denn dieser Akt erinnert an die Methode der italienischen Mafia, die dem Ermordeten ‚Betonschuhe’ anzieht, um die Leiche im Wasser versenken zu können. Hier geht es neben Erinnerungen an Berichte aus der Tagespresse um Grundsatzfragen von Form, vom Negativ im Positiv, um Spuren des Körpers, der Raum markiert und Geschichten evoziert.

In der Serie der montierten C-Prints „Im fotografischen Exil – Rache für Trotzki“ überwindet Jens Kloppmann die Geschichte und gibt dem russischen Revolutionär, der von seinem Kontrahenten Stalin ins Exil verbannt und schließlich durch ihn in Mexiko ermordet wurde, eine ironische neue Erscheinung. Trozkij taucht hier viele Jahre nach seinem Tod als Protagonist in wiederum historisch relevanten Bildern auf und wohnt beispielsweise Willy Brandts Kniefall zu Warschau im Jahr 1970 bei oder er erhält die Rolle von Nixon in dessen legendärem Fernsehduell mit John F. Kennedy (1960). Es ist erstaunlich wie vertraut die Bilder sind und erst auf den zweiten Blick erkennt man den eingeschleusten Trotzkij, der hier ähnlich dem Künstler selbst eine ironisch subversive Rolle einnimmt.

Mit seinen für die Ausstellung „Die andere Seite“ ausgewählten Arbeiten zeigt Jens Kloppmann signifikante Einblicke in seine Arbeitsmethode, die sich Erinnerungen verschiedener Art bedient, die der Künstler salopp in die Waagschale wirft und dabei den Betrachter mit einem Augenzwinkern genauso mit dessen Geschichte, Erinnerung und Dekodierungsfunktionen konfrontiert.